Samstag, 24. Oktober 2015

Zweisprachige Erziehung: Illusion vs. Realität

Vielleicht hat sich es der eine oder andere meiner Leser auf Grund der Schreibweise meines Namens bereits gedacht: ich bin nicht gebürtig Deutsche. Ich bin in Deutschland aufgewachsen und wurde vor 6 Jahren nach einer Änderung im EU - Recht eingebürgert (und besitze somit die doppelte Staatsbürgerschaft). Meine Familie jedoch kommt aus Polen.

Meinen Eltern verdanke ich zweisprachig erzogen worden zu sein. Es war ein Leichtes für sie: zu Hause wurde ausschließlich polnisch gesprochen, draußen in der freien Wildbahn musste ich deutsch reden. Die Zweisprachigkeit ist ein Geschenk, ein Segen. Vor allem weil polnisch ein echt schwere Sprache ist. 

Nun habe ich mir natürlich für mein Töchterchen vorgenommen ihr auch die polnische Sprache zu schenken. Die Gründe dafür (abgesehen von der vollkommenen Selbstverständlichkeit dies zu tun) sind die folgenden:
1. Mini-Wiktoria ist halb Polin und halb Deutsche (auch mit doppeltem Pass), wächst aber in Deutschland auf. Mit der polnischen Sprache will ich sie an ihre anderen 50 % erinnern, die umweltbedingt einfach eher untergehen. 
2. Wir haben noch viel Familie in Polen weshalb es natürlich von enormer Bedeutung ist dass sie mit Omas, Tanten, etc. kommunizieren kann.
3. Zwei Sprachen als Muttersprachen bezeichnen zu können ist eine Erleichterung im Leben.

Trotzdem, über die Gründe brauchen wir eigentlich nicht zu reden. Sie liegen auf der Hand.

Nun hatte ich mir in der Schwangeschaft eine tolle Illusion ausgemalt. Ich habe viel über die zweisprachige Erziehung gelesen und war bestens vorbereitet: Ein Elternteil spricht nur deutsch, das andere nur polnisch (mein Mann kann leider nur Bier auf polnisch bestellen, fürs Überleben im Heimaturlaub reicht es :) ). 

Ich würde mit der Mini-W. nur polnisch reden. Von Verwandten habe ich mir Unmengen an polnischen CDs und Büchern schicken und bringen lassen. Habe allen in meinem Umfeld, die der Sprache mächtig sind eingetrichtert sie mögen bitte ausschließlich polnisch mit ihr reden. Hach, es würde ja so einfach werden.

Doch dann kam die Realität. Meine Realität. Ich denke deutsch. Ich träume deutsch. Ich führe Selbstgespräche auf deutsch. Ich lese auf deutsch und irgendwie ist 99 % meiner Sprache einfach deutsch. Klar, mit meinen Eltern rede ich selbstverständlich polnisch - bei meinen Geschwistern hört diese Selbstverständlichkeit dagegen auf - wir haben schon immer deutsch miteinander gesprochen.

Meine Illusion drohte von Anbeginn zu platzen. Jeder polnische Satz den ich zu Mini-W. gesprochen habe war und ist irgendwie erzwungen, künstlich. Bei polnischen Märchen stelle ich fest, dass mir - bei aller muttersprachlicher Kompetenz - einfach die Leichtigkeit fehlt. Ich merke immer wieder dass ich mich in der polnischen Sprache bei weitem nicht so sicher bewege und mich bei weitem nicht so gewählt ausdrücken kann wie ich es in der deutschen Sprache tue. Letztere Gründe sind natürlich kein Grund meinem Kind die Sprache nicht näher zu bringen - ich merke nur insgesamt dass ich mir trotz allem etwas schwerer damit tue. Von meinen Eltern bekomme ich - zu recht - regelmäßig eins auf den Deckel, ich solle öfters und konsequenter polnisch mit ihr sprechen. Heute stelle ich fest: sie tun sich leicht, für sie war und ist polnisch das was für mich deutsch ist. Sie mussten sich nicht jeden Tag neu für die eine oder andere Sprache entscheiden. Sie war einfach ganz natürlich da. Trotzdem wäscht mich das nicht von meiner Verantwortung rein.

So einfach wie ich es mir überlegt hatte wird es dann doch nicht. Jeden Tag aufs Neue nehme ichi mir vor einen rein polnischen Tag zu machen. Und ab da für immer. Ich merke dass Mini-W. in einem Alter ist in dem sie Begriffe zuordnen kann. Der Papa macht erklärt ihr momentan alles was sie in der Hand hat ("Ball", "Wasser", etc.) Meine Schonfrist ist defintiv vorbei, JETZT muss ich einsteigen, weil jetzt das Kind anfängt genau zu begreifen. 

Hätte mir vor einem Jahr einer gesagt wie schwer es ist, ich hätte es nicht geglaubt.... 

Ich tue mein Bestes, lese Geschichten auf polnisch vor, lasse polnisches Radio laufen. Aber die größte Arbeit, die habe ich an mir selbst.

Wenn ich das nicht hinbekomme schade ich meinem Kind. Ich nehme ihr etwas weg, was so wertvoll und so wichtig ist. Versagen kommt also nicht in Frage. Dass die Illusion von der Realität aber so abweicht überrascht mich dann doch. Aber: ich bleibe dran! 

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