Montag, 9. November 2015

Das böse H-Wort und wie ich lernte damit umzugehen

"Und was machst Du zur Zeit so?" 

"Ich bin Hausfr....grmlguowürg"


Diesen und ähnliche Dialoge habe ich die letzten knappen zwei Jahre öfters geführt. Das böse H-Wort kam mir einfach nicht über die Lippen. Hausggrrmlguoawürg.

Okay, Luft holen. Aussprechen.

Hausfrau

Geht doch. War gar nicht so schwer. Oder doch?

Seit Februar 2014 bin ich nun zu Hause. Mein Mann und ich haben uns ganz bewusst dafür entschieden. So hatte ich das Glück die Schwangerschaft komplett zu Hause verbringen zu können. Wenn ich mir Freundinnen anschaue die sich bis zum Mutterschutz in die Arbeit schleppen mussten, egal wie stark gerade die Übelkeit war oder wie die dick die Beine vom Wasser, dann bin ich für diesen Umstand sehr dankbar.

Ich konnte die 10 Monate Schwangerschaft genießen, mit allem schönen und weniger schönen was dazugehört. Ich habe gelesen. Mit dem Häkeln angefangen. Ich saß im Sommer in der Sonne, mit einer Apfelschorle in der Hand und habe gelächelt. Schwanger zu Hause. Das war tatsächlich viel schöner als ich es ursprünglich angenommen habe.

Dann kam Mini-W.  zur Welt und der Trubel begann. Konnte ich vorher noch die ruhige Kugel schieben (im wörtlichsten Sinne des Wortes *lach*), änderte sich mein Leben von 0 auf 100 in gefühlt 5 Minuten (Na gut, in 30 Minuten, denn so lange war ich im OP zum Kaiserschnitt).


Ich habe in meinem Leben viel gearbeitet, teilweise 50 bis 60 Stunden in der Woche (während des Studiums als ich noch nebenbei viel gejobbt habe). Ich habe nächtelang gefeiert und gelernt. Geschrieben und gelernt. Getrunken und geredet.

Was war ich alles schon? Schülerin. Studentin. Dann Azubine. Angestellte in verschiedenen Bereichen. Und jetzt? Jetzt bin ich eben Hausfrau.

Und obwohl diese Tätigkeit die anstrengenste und tollste, aufreibendste und genialste von allen ist, so habe ich doch lange ein massives Problem mit der Bezeichnung gehabt. Ich habe das böse H-Wort einfach nicht über die Lippen gebracht. Warum fiel mir das so schwer?

Der Ruf der Hausfrau ist daran schuld. Niemals werde ich vergessen als meine Schwester mir sagte, ich würde ja nichts machen. Als Antwort auf meine Aussage, ich sei zur Zeit echt müde und abgearbeitet. Ist das so? Glauben Kinderlose dass Hausfrauen den ganzen Tag nichts tun? Gehen wir den ganzen Tag nur shoppen, dann zu Friseur und zur Massage? Und wenn uns dann noch langweilig ist legen wir den Gärtnern flach? Ich wünschte es wäre so. Jeder Mama, die das hier liest muss ich nicht erklären dass das nicht nur falsch, sondern auch noch unverschämt und gemein ist.

Allen anderen muss ich sagen: hört auf uns zu vermitteln wir würden hier faul auf Kosten unserer Männer leben. Ist nur noch die Karriere ein Qualitätsmerkmal für die eigene Leistung? Ist die Erziehung der eigenen Kinder keine Leistung? Und wenn doch, warum vermittelt einem das Umfeld man sei in irgendeiner Form unzulänglich weil man eben "nur" Hausfrau sei? Gemessen an meiner Leistung heute war die Studentenzeit ein Spaziergang mit einem Cocktail in der Hand. Ich jammere hier mit Sicherheit nicht herum. Ich stelle lediglich fest.

Auf die Frage, was ich eigentlich zur Zeit mache, war noch letztes Jahr die Antwort, die zwischen den Zeilen stand: "Ich bin nur zu Hause, ich lebe auf Kosten meines Mannes und trage nichts bei. Bitte verurteile mich nicht dafür dass mein Aufgabenportfolio Wäsche waschen und Klo putzen umfasst und nicht mehr die Ausarbeitung neuer Marketing-Konzepte." Ja, das ist ein Minderwertigkeitskomplex.

Jetzt ist meine Mini-W. 10 Monate alt. Ich sehe selbst jeden Tag was es heißt Hausfrau und Mama zu sein. In diese Rolle bin ich reingewachsen. Auch mein Ego fühlt sich inzwischen gut an. Wahrscheinlich war es ein Fehler mein Selbstwertgefühl von dem Urteil der anderen abhängig zu machen. Aber es war so. Und ich meine dass es nicht nur mir so geht. Mit den Monaten ist aber mein Selbstbewusstsein gestiegen ich muss niemandem mehr beweisen dass es okay ist zu Hause zu sein und den Laden zu schmeissen.
Lizenz: CC0 / Public Domain

Also ihr lieben Hausfrauen und Mütter: bloß nicht schlecht fühlen weil ihr die neue Jacke mit dem Gehalt Eurer Männer bezahlt. Das ist okay so. Ihr leistet so verdammt viel. Die neue Jacke. Die könnt ihr locker als euer materielles Gehalt betrachen.

Ich bin Hausfrau.

Gar nicht so schwer. Und es fühlt sich sogar gut an!

2 Kommentare:

  1. Wenn es finanziell drin ist, würde ich auch diese angenehmere Variante wählen und die Schwangerschaft in Ruhe genießen, statt mich mit Übelkeit und Co. auf Arbeit quälen zu müssen.

    Toll geschrieben. :)

    ♥liche Grüße

    Lenchen vom Testereiwahnsinn

    AntwortenLöschen
  2. Toller Text! Ich habe es auch genossen während der Schwangerschaft zuhause zu sein (auch wenn ich gerade ein Fernstudium zu Ende geführt habe, blieb noch genügend Freizeit). Und auch jetzt finde ich es schön mit meinem Sohn zuhause zu sein =) Ich habe sobald er 1 Jahr wurde angefangen ca. 15 Stunden pro Woche von zuhause aus zu arbeiten. Mit zwei wird er dann in den Kindergarten gehen und ich kann mich beruflich neu orientieren. Auch wenn ich es mir nicht noch viel länger vorstellen könnte Hausfrau zu sein, so hasse ich es doch, dass der Ruf den man dann hat, der Realität überhaupt nicht gerecht wird! Daher toll, dass du darüber geschrieben hast, du sprichst vielen aus der Seele =)

    AntwortenLöschen